Meine Worte sind wie Sterne

By Helmut, 14. April 2011

Der Staat Washington, im Nordwesten der USA, war die Heimat der Duwamish, eines Volkes das sich – wie alle Indianer – als Teil der Natur betrachtete, ihr Respekt und Ehrerbietung erwies und seit Generationen mit ihr in Harmonie lebte.

Im Jahre 1855 machte der 14. Präsident der Vereinigten Staaten, der Demokrat Franklin Pierce, den Duwamish das Angebot, ihr Land weißen Siedlern zu verkaufen; sie selbst sollten in ein Reservat ziehen.

Die Indianer verstanden das nicht. Wie kann man Land kaufen und verkaufen? Nach ihrer Vorstellung kann der Mensch die Erde nicht besitzen, so wenig, wie er den Himmel, die Frische der Luft oder das Glitzern des Wassers besitzen kann.

Chief Seattle, der Häuptling der Duwamish, antwortete dem „großen Häuptling der Weißen“ auf dessen Angebot mit einer Rede, deren Weisheit, Kritik und bescheidene Hoffnung uns heute, mehr als 140 Jahre später, mehr denn je betrifft und betroffen macht. „Meine Worte sind wie Sterne, sie gehen nicht unter“, sagte Chief Seattle.

Sein Volk hat nicht überlebt, seine Worte wurden nicht gehört.

Hier die Rede des Häuptlings:

 

Meine Worte sind wie Sterne

 

Die Rede des Häuptlings Seattle
vor dem Präsidenten der
Vereinigten Staaten von Amerika
im Jahre 1855

Der große Häuptling in Washington sendet Nachricht, daß er unser Land zu kaufen wünscht.

Der große Häuptling sendet uns auch Worte der Freundschaft und des guten Willens. Das ist freundlich von ihm, denn wir wissen, er bedarf unser Freundschaft nicht. Aber wir werden sein Angebot bedenken, denn wir wissen – wenn wir nicht verkaufen – kommt vielleicht der weiße Mann mit Gewehren und nimmt uns unser Land. Wie kann man den Himmel kaufen oder verkaufen – oder die Wärme der Erde? Diese Vorstellung ist uns fremd. Wenn wir die Frische der Luft und das Glitzern des Wassers nicht besitzen – wie könnt ihr sie von uns kaufen? Wir werden unsere Entscheidung treffen.

Was Häuptling Seattle sagt, darauf kann sich der große Häuptling in Washington verlassen, so sicher wie sich unser weißer Bruder auf die Wiederkehr der Jahreszeiten verlassen kann.

Meine Wort sind wie die Sterne, sie gehen nicht unter. Jeder Teil dieser Erde ist meinem Volk heilig, jede glitzernde Tannennadel, jeder sandige Strand, jeder Nebel in den dunklen Wäldern, jede Lichtung, jedes summende Insekt ist heilig, in den Gedanken und Erfahrungen meines Volkes. Der Saft, der in den Bäumen steigt, trägt die Erinnerungen des roten Mannes. Die Toten der Weißen vergessen das Land ihrer Geburt, wenn sie fortgehen, um unter den Sternen zu wandeln. Unsere Toten vergessen diese wunderbare Erde nie, denn sie ist des roten Mannes Mutter. Wir sind ein Teil der Erde, und sie ist ein Teil von uns. Die duftenden Blumen sind unsere Schwestern, die Rehe, das Pferd, der große Adler sind unsere Brüder. Die felsigen Höhen, die Körperwärme der Ponys – und des Menschen – sie alle gehören zur gleichen Familie.

Wenn also der große Häuptling in Washington uns Nachricht sendet, daß er unser Land zu kaufen gedenkt – so verlangt er viel von uns. Der große Häuptling teilt uns mit, daß er uns einen Platz gibt, wo wir angenehm und für uns leben können. Er wird unser Vater und wir werden seine Kinder sein. Aber kann das jemand sein? Gott liebt euer Volk und hat seine roten Kinder verlassen. Er schickt Maschinen um dem weißen Mann bei der Arbeit zu helfen, und er baut große Dörfer für ihn. Er macht euer Volk stärker, Tag für Tag. Bald werdet ihr das Land überfluten wie Flüsse, die die Schluchten hinabstürzen nach einem unerwarteten Regen. Mein Volk ist wie eine ablaufende Flut – aber ohne Wiederkehr. Nein, wir sind verschiedene Rassen. Unsere Kinder spielen nicht zusammen, und unsere Alten erzählen nicht die gleichen Geschichten. Gott ist euch gut gesinnt, wir sind Waisen. Wir werden euer Angebot, unser Land zu kaufen, bedenken. Das wird nicht leicht sein, denn dieses Land ist heilig. Wir erfreuen uns an diesen Wäldern. Ich weiß nicht – unsere Art ist anderes als die Eure.

Glänzendes Wasser, das sich in Bächen und Flüssen bewegt, ist nicht nut Wasser – sondern Blut unserer Vorfahren. Wenn wir Euch unser Land verkaufen, müßt ihr wissen, daß es heilig ist, und eure Kinder lehren, daß es heilig ist und jede flüchtige Spiegelung im klaren Wasser der Seen von Ereignissen und Überlieferungen aus dem Leben meines Volkes erzählt. Das Murmeln des Wassers ist die Stimmer meiner Vorväter. Die Flüsse sind unsere Brüder – sie stillen unseren Durst. Die Flüsse tragen unsere Kanus und nähren unsere Kinder.

Wenn wir unser Land verkaufen, so müßt ihr euch daran erinnern und eure Kinder lehren: Die Flüsse sind unsere Brüder – und eure – , und ihr müßt von nun an den Flüssen eure Güte geben, so wie jedem anderen Bruder auch. Der rote Mann zog sich immer zurück vor dem eindringenden weißen Mann – so wie der Frühnebel in den Bergen vor der Morgensonne weicht. Aber die Asche unserer Väter ist heilig, ihre Gräber sind geweihter Boden, und so sind diese Hügel, diese Bäume, dieser Teil der Erde uns geweiht. Wir wissen, daß der weiße Mann unsere Art nicht versteht. Ein Teil des Landes ist ihm gleich jedem anderen, der er ist ein Fremder, der kommt in der Nacht und nimmt von der Erde, was immer er braucht. Die Erde ist sein Bruder nicht, sondern Feind, und wenn er sie erobert hat, schreitet er weiter. Er läßt die Gräber seiner Väter zurück – und kümmert sich nicht. Er stiehlt die Erde von seinen Kindern – und kümmert sich nicht. Seiner Väter Gräber und seiner Kinder Geburtsrecht sind vergessen. Er behandelt seine Mutter, die Erde, und seinen Bruder, den Himmel, wie Dinge zum Verkaufen wie Schafe oder glänzende Perlen. Sein Hunger wird die Erde verschlingen und nichts zurücklassen als eine Wüste.

Ich weiß nicht – unsere Art ist anders als die Eure. Der Anblick eurer Städte schmerzt die Augen des roten Mannes. Vielleicht, weil der rote Mann ein Wilder ist und nicht versteht.

Es gibt keine Stille in den Städten der Weißen. Keinen Ort, um das Entfalten der Blätter im Frühling zu hören oder das Summen der Insekten.

Aber vielleicht nur deshalb, weil ich ein Wilder bin und nicht verstehe. Das Geklappere scheint unsere Ohren nur zu beleidigen. Was gibt es schon im Leben, wenn man nicht den einsamen Schrei des Ziegenmelkervogels hören kann, oder das Gestreite der Frösche am Teich bei Nacht? Ich bin ein roter Mann und verstehe das nicht. Der Indianer mag das sanfte Geräusch des Windes, der über eine Teichfläche streicht – und den Geruch des Windes, gereinigt vom Mittagsregen oder schwer vom Duft der Kiefern. Die Luft ist kostbar für den roten Mann – denn alle Dinge teilen denselben Atem – das Tier, der Baum, der Mensch – sie alle teilen denselben Atem. Der weiße Mann scheint die Luft die er atmet nicht zu bemerken; wie ein Mann, der seit vielen Tagen stirbt, ist er abgestumpft gegen den Gestank. Aber wenn wir euch unser Land verkaufen, dürft ihr nicht vergessen, daß die Luft uns kostbar ist – daß sie Luft ihren Geist teilt mit all dem Leben, das sie enthält. Der Wind gab unseren Vätern den ersten Atem und empfängt ihren Letzten. Und der Wind muß auch unseren Kindern den Lebensgeist geben. Und wenn wir euch unser Land verkaufen, so müßt ihr es als ein besonderes geweihtes schätzen, als einen Ort, wo auch der weiße Mann spürt, daß der Wind süß duftet von den Wiesenblumen.

Das Ansinnen, unser Land zu kaufen, werden wir bedenken, und wenn wir uns entschließen anzunehmen, so nur unter einer Bedingung. Der weiße Mann muß die Tiere des Landes behandeln wie seine Brüder.

Ich bin ein Wilder und verstehe es nicht anders. Ich habe tausend verrottende Büffel gesehen, vom weißen Mann zurückgelassen – erschossen von einem vorüber fahrenden Zug. Ich bin ein Wilder und kann nicht verstehen, wie das qualmende Eisenpferd wichtiger sein soll als der Büffel, den wir nur töten, um am Leben zu bleiben. Was ist der Mensch ohne Tiere? Wären alle Tiere fort, so stürbe der Mensch an großer Einsamkeit des Geistes. Was immer den Tieren geschieht – geschieht bald dem Menschen. Alle Dinge sind miteinander verbunden.

Was die Erde befällt, befällt auch die Söhne der Erde.

Ihr müßt eure Kinder lehren, daß der Boden unter ihren Füßen die Asche unser Großväter ist. amit sie das Land achten, erzählt ihnen, daß die Erde erfüllt ist von den Seelen unserer Vorfahren. Lehrt eure Kinder, was wir unsere Kinder lehren: Die Erde ist unsere Mutter. Was die Erde befällt, befällt auch die Söhne der Erde. Wenn Menschen auf die Erde spucken, bespeien sie sich selbst. Denn das wissen wir, die Erde gehört nicht den Menschen, der Mensch gehört zur Erde – das wissen wir. Alles ist miteinander verbunden, wie Blut, das eine Familie vereint. Alles ist verbunden. Was die Erde befällt, befällt auch die Söhne der Erde. Der Mensch schuf nicht das Gewebe des Lebens, er ist darin nur eine Faser. Was immer ihr dem Gewebe antut, das tut ihr euch selber an. Nein, Tag und Nacht können nicht zusammenleben. Unsere Toten leben fort in den süßen Flüssen der Erde, kehren wieder mit des Frühlings leisem Schritt, und es ist ihre Seele im Wind, der die Oberfläche der Teiche kräuselt.

Das Ansinnen des weißen Mannes, unser Land zu kaufen, werden wir bedenken. Aber mein Volk fragt, was denn will der weiße Mann? Wie kann man den Himmel oder die Wärme der Erde kaufen – oder die Schnelligkeit der Antilope? Wie können wir euch diese Dinge verkaufen – und wie könnt ihr sie kaufen? Könnt ihr denn mit der Erde tun, was ihr wollt – nur weil der rote Mann ein Stück Papier unterzeichnet – und es dem weißen Manne gibt? Wenn wir nicht die Frische der Luft und das Glitzern des Wassers besitzen – wie könnt ihr sie von uns kaufen? Könnt ihr die Büffel zurückkaufen, wenn der letzte getötet ist?

Wir werden euer Angebot bedenken. Wir wissen, wenn wir nicht verkaufen, kommt wahrscheinlich der weiße Mann mit Waffen und nimmt uns unser Land. Aber wir sind Wilde. Der weiße Mann, vorübergehend im Besitz der Macht, glaubt, er sei schon Gott – dem die Erde gehört. Wie kann der Mensch seine Mutter besitzen?

Wir werden euer Angebot, unser Land zu kaufen bedenken, Tag und Nacht können nicht zusammenleben – wir werden euer Angebot bedenken, in das Reservat zu gehen. Wir werden abseits und in Frieden leben. Es ist unwichtig, wo wir den Rest unserer Tage verbringen. Unsere Kinder sahen ihre Väter gedemütigt und besiegt. Unsere Krieger wurden beschämt. Nach Niederlagen verbringen sie ihre Tage müßig – vergiften ihre Körper mit süßer Speise und starkem Trunk. Es ist unwichtig, wo wir den Rest unsere Tage verbringen. Es sind nicht mehr viele. Noch wenige Stunden, ein paar Winter – und kein Kind der großen Stämme, die einst in diesem Land lebten oder jetzt in kleine Gruppen durch die Wälder streifen, wird mehr übrig sein, um an den Gräbern eines Volkes zu trauern – das einst so stark und voller Hoffnung war wie das Eure. Aber warum soll ich trauern über den Untergang meines Volkes, Völker bestehen aus Menschen – nichts anderem. Menschen kommen und gehen wie die Wellen im Meer. Selbst der weiße Mann, dessen Gott mit ihm wandelt und redet, wie Freund zu Freund, kann der gemeinsamen Bestimmung nicht entgehen. Vielleicht sind wir doch Brüder. Wir werden sehen.

Eines wissen wir, was der weiße Mann vielleicht eines Tages entdeckt – unser Gott ist derselbe Gott. Ihr denkt vielleicht, daß ihr ihn besitzt – so wie ihr unser Land zu besitzen trachtet – aber das könnt ihr nicht. Er ist der Gott der Menschen – gleichermaßen der Roten und der Weißen. Dieses Land ist ihm wertvoll – und die Erde verletzen heißt ihren Schöpfer verachten.

Auch die Weißen werden vergehen, eher vielleicht als die anderen Stämme. Fahret fort, euer Bett zu verseuchen, und eines Nachts werdet ihr im eigenen Abfall ersticken. Aber in eurem Untergang werdet ihr hell strahlen – angefeuert von der Stärke des Gottes, der euch bestimmte, über dieses Land des roten Mannes zu herrschen. Diese Bestimmung ist uns ein Rätsel. Wenn die Büffel alle geschlachtet sind – die wilden Pferde gezähmt – die heimlichen Winkel des Waldes, schwer vom Geruch vieler Menschen – und der Anblick reifer Hügel geschändet von redenden Drähten – wo ist das Dickicht, wo der Adler – fort, und was bedeutet es Lebewohl zu sagen dem schnellen Pony und der Jagd:

Das Ende des Lebens – und den Beginn des des Überlebens. Gott gab Euch Herrschaft über die Tiere, die Wälder und den roten Mann, aus einem besonderen Grund – doch dieser Grund ist uns ein Rätsel. Vielleicht könnten wir es verstehen, wenn wir wüßten, wovon der weiße Mann träumt – welche Hoffnungen er seinen Kindern an langen Winterabenden schildert – und welche Visionen er in ihre Vorstellungen brennt, so daß sie sich nach einem Morgen sehnen. Aber wir sind Wilde – die Träume des weißen Mannes sind uns verborgen. Und weil sie uns verborgen sind, werden wir unsere eigenen Wege gehen. Denn vor allem schätzen wir das Recht eines jeden Menschen, so zu leben, wie er selber es wünscht – gleich wie verschieden von seinen Brüdern er ist. Das ist nicht viel, was uns verbindet.

Wir werden euer Angebot bedenken. Wenn wir zustimmen, so nur, um das Reservat zu sichern, das ihr versprochen habt. Dort vielleicht können wir unsere kurzen Tage auf unsere Weise verbringen.

Wenn der letzte rote Mann von dieser Erde gewichen ist und sein Gedächtnis nur noch der Schatten einer Wolke über der Prärie, wird immer noch der Geist meiner Väter in diesen Ufern und diesen Wäldern lebendig sein. Denn sie liebten diese Erde, wie das Neugeborene den Herzschlag seiner Mutter. Wenn wir euch unser Land verkaufen, liebt es, wie wir es liebten, kümmert euch, so wie wir uns kümmerten, behaltet die Erinnerung an das Land, so wie es ist, wenn ihr es nehmt. Und mit all eurer Stärke, eurem Geist, eurem Herzen, erhaltet es für eure Kinder und liebt es – so wie Gott uns alle liebt.

Denn eines wissen wir – unser Gott ist derselbe Gott. Diese Erde ist ihm heilig. Selbst der weiße Mann kann der gemeinsamen Bestimmung nicht entgehen. Vielleicht sind wir doch Brüder – wir werden sehen.

One Comment

  1. Elke Schmitt sagt:

    Häuptling Seattle war ein sehr weiser Mann und es ist sehr schade, dass seine Worte und sein Volk durch den weißen Mann starben. Alle Worte vom Häuptling sprechen von großer Weisheit und Achtung sowohl vor dem Menschen, dem Tier und auch der Natur. Es ist eine ganz andere Sichtweise, aber sie ist meiner Meinung nach richtig, denn Land kann man nicht verkaufen. Es gehört uns nicht, wie haben es geerbt von unseren Vorfahren.

    Ich bin sehr beeindruckt von der Demut, die aus den Worten spricht, aber auch von einer Schicksalsergebenheit, die der Häuptling zeigt, weiß er doch, dass das weiße Volk viel größer und stärker ist als die noch verbliebenen Indianer. Und trotzdem sagt er nichts Böses zu dem weißen Mann. er überträgt ihm lediglich, dass er das Land, über das er geht, lieben soll.
    Es wäre sehr klug gewesen, diese Worte zu berücksichtigen bei den Taten anstatt zu morden und die Indianer auszurotten. Ich finde das jammerschade und alles andere als christlich und moralisch. Schade!

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